Das Europaparlament hat am 26.03.2019 der Reform des Urheberrechts zugestimmt. Der Kernpunkt der EU-Richtlinien des Urheberrechts besteht darin, dass urheberrechtlich geschützte Inhalte ohne Zustimmung des Urhebers nicht mehr im Internet erscheinen dürfen.
Die EU-Richtlinie muss nunmehr bei den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Für Betreiber von Online-Plattformen wird die Reform zu massivem Handlungsbedarf führen. Dabei sollen im Rahmen der nationalen Gesetze insbesondere Künstler, Autoren, Cartoonisten und Musiker von der Verbreitung ihrer Werke zukünftig auch finanziell profitieren. Urheberrechtlich geschützte Werke dürfen auf Internetplattformen von Google, Facebook und vielen weiteren Plattformbetreibern künftig nicht mehr hochgeladen werden. Diese müssen sicherstellen, dass entsprechende Inhalte entweder blockiert oder gelöscht werden.
Die Herausforderungen für die Plattformbetreiber werden mit der Umsetzung in nationales Recht zu Beginn beträchtlich sein. Trotz Einsatz technischer Filter wird die Kontrolle für Internetplattformen mit einem zusätzlichen personellen Aufwand verbunden sein, deren Umfang derzeit noch nicht absehbar ist. Die Plattformbetreiber werden versuchen, möglichst auf so genannte Uploadfilter zurückzugreifen, die automatisch beim geplanten Hochladen bzw. Upload direkt checken, ob eine Lizenzberechtigung für das jeweilige geistige Werk vorliegt. Im Zweifel wird es eine Verbreitung auf der Plattform unterbinden, um einer Haftung zu entgehen. Damit eröffnet sich das Problem, dass Uploadfilter bisher nicht, jedenfalls nicht mit der erforderlichen Präzision zwischen der Art und dem Zweck der Inhalte unterscheiden können. Parodien oder Memes können automatisiert oft nicht als solche erkannt werden und würden häufig ausgefiltert.
Die Betroffenen können nach der EU-Richtlinie Beschwerde einlegen, wenn sie sich mit ungerechtfertigten Sperren oder Löschungen konfrontiert sehen. Es wird dann auf die Umsetzung ins nationale Recht ankommen, dass Zeit- und Kostenaufwand keine unüberwindbaren Hürden für den Betroffenen darstellen. Das nationale Recht kann zudem gesetzliche Vorkehrungen schaffen, um das kostenlose Hochladen von Rezensionen, Karikaturen, Parodien oder Persiflagen zu ermöglichen. Da es sich um eine Richtlinie handelt, haben die EU-Mitgliedstaaten einen gewissen Ermessensspielraum bei der Umsetzung ins nationale Recht. Es wird sich weisen, wie der deutsche Gesetzgeber seinen Spielraum nutzen wird.
Eine weitere Herausforderung liegt in den personellen und technischen, aber auch juristischen Anforderungen an die Online-Plattformen. Die Richtlinie verlangt von diesen „bestes Bemühen“, ein Hochladen von urheberrechtlich geschützten Werken zu verhindern.
Die Betreiber von Plattformen sollen offenbar mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln sicherstellen, dass sie keine Inhalte verbreiten, die urheberrechtlich geschützt sind. So stellt sich die schwer zu beantwortende Frage, welche Maßnahmen den Betreibern möglich und zumutbar erscheinen.
Auf die Gerichte wird eine Vielzahl von Streitigkeiten zukommen, bis die Kasuistik genügend Rechtssicherheit geschaffen hat. Dieser Prozess wird viele Jahre dauern. Da die Betreiber mit der EU-Urheberrechtsreform bereits ab dem Zeitpunkt des Hochladens haftbar sein werden, statt wie bisher erst nach einem Hinweis auf eine mögliche Rechtsverletzung, werden die Plattformbetreiber ihre Filtereinstellungen voraussichtlich restriktiv gestalten und damit in Kauf nehmen, dass auch urheberrechtlich nicht geschützte Inhalte ausgefiltert werden, um Rechtstreitigkeiten möglichst zu vermeiden.
Bereits jetzt werden Uploadfilter eingesetzt, die unerwünschte Inhalte unterbinden helfen. Der Messenger von Facebook meldet auf Verdacht unangemessene Inhalte, um Scams, illegale Fotos oder andere unerwünschte Inhalte von der Plattform fernzuhalten. Bestimmte Algorithmen vergleichen die Inhalte mit bereits bekannten unerwünschten Inhalten. Diese schwarze Liste von Inhalten wird naturgemäß immer länger, so dass auch die Technik hinter den Algorithmen immer wieder aktualisiert werden muss. Neben den technischen Neuerungen wird der Personaleinsatz ansteigen.
Aufgrund der finanziellen Aufwendungen, die die Implementierung von Filtersystemen mit sich bringen, hat die EU-Richtlinie des Urheberrechts für Start-ups, die weniger als drei Jahre existieren und unter einer vorgegebenen Umsatzschwelle liegen, eine Ausnahmeregelung geschaffen. Die großen Plattformbetreiber, aber auch Betreiber aus dem Mittelstand müssen dagegen sofort handeln.
Die Vorteile der Reform des Urheberrechts sind deutlich: Die Inhalte von Presseerzeugnissen werden zukünftig besser urheberrechtlich geschützt, da die Richtlinie ein eigenes Leistungsschutzrecht für Verlage vorsieht. Damit werden die Plattformbetreiber von den Verlagen Lizenzen erwerben müssen, um deren Inhalte oder auch nur Auszüge – darstellen zu dürfen. Voraussichtlich wird es zu pauschalen Lizenzvergaben führen. Denn in der Regel haben die Verlage ein Interesse an einer weitest gehenden Verbreitung, sofern sie daraus finanzielle Vorteile ziehen können. Die Preisfindung wird wohl dem Markt überlassen bleiben. Hier wäre es sicherlich erstrebenswert, wenn auf dem Gebiet der Plattformbetreiber ein größtmöglicher Wettbewerb herrschen würde, welcher derzeit ganz offenkundig fehlt.
Sollte der größte Plattformbetreiber Google sich weigern, Lizenzgebühren zu zahlen und auf kostenlose Lizensierungsvereinbarungen hoffen und stattdessen die Inhalte entfernen, ist bei den Verlagen mit Ertragseinbußen zu rechnen. Auf Wettbewerber zu Google können sie derzeit nicht ausweichen. Andererseits schafft Google bei Totalverweigerung Anreize für das Entstehen von Wettbewerb.
Der nationale Gesetzgeber jedes Mitgliedstaates ist nun aufgefordert, die Umsetzung des neuen Gesetzes auszugestalten und vor allem die Anforderungen an die Plattformbetreiber möglichst konkret zu regeln, um Verhaltens- und damit Rechtssicherheit zu schaffen. Die bloße gesetzliche Wiedergabe eines „bestes Bemühens“ („best efforts“) wird nicht ausreichen. Bis zum Jahr 2021 müssen die EU-Mitgliedsländer Lösungen dafür gefunden haben.