In zwei (noch nicht veröffentlichen) Urteilen vom 22.05.2019 (Az.: VIII ZR 180/18 und VIII ZR 167/17) hat der BGH zwei Entscheidungen von Oberlandesgerichten aufgehoben, weil sie bei einer Eigenbedarfskündigung des Vermieters keine ausreichende Prüfung des Härtefalls, auf die sich der Mieter berief, vorgenommen hatten.
Der BGH rügte, dass die Gerichte eine allzu schematische und oberflächliche Prüfung vornahmen und eine angemessene Härtefallprüfung vermissen ließen. Beruft sich der Mieter auf die Verschlechterung seines Gesundheitszustandes für den Fall eines Umzuges, so sei im Zweifel ein Gutachten von Amts wegen einzuholen, wenn der Mieter ein entsprechendes ärztliches Attest vorlegt.
In dem einen Rechtsstreit (VIII ZR 180/18) litt die hochbetagte Mieterin an Altersdemenz und weiteren Krankheiten. Deren Krankheit für sich betrachtet genüge zur Begründung eines Härtefalls nicht. Vielmehr sei zu berücksichtigen, ob sich mit ärztlicher und therapeutischer Behandlung die Folgen eines Umzuges auf den Gesundheitszustand der Mieterin mindern ließen. Das Eigenbedarfsinteresse des Vermieters wäre auch nicht ohne weiteres dadurch gemindert, dass er eine bei Kaufabschluss vermietete Wohnung erworben habe.
Im anderen Rechtsstreit sei nach mieterseitigem Vortrag durch den Umzug ebenfalls die Gesundheit des Mieters gefährdet. Auch hier rügte der BGH mangelnde konkrete Sachverhaltsaufklärung notfalls durch Einholung eines von Amts wegen zu bestellenden Sachverständigengutachtens. Allgemeine Fallgruppen nach Alter des Mieters, Mietdauer oder Erwerb einer bereits vermieteten Wohnung ließen sich nicht bilden. Vielmehr müsse eine konkrete und detaillierte Einzelfallabwägung der Interessen von Mieter und Vermieter erfolgen. Gutachten dürften nicht nur oberflächlich die gesundheitlichen Folgen eines Umzuges behandeln, sondern müssen insbesondere den Schweregrad und die Wahrscheinlichkeit der mit einem Umzug zu erwartenden Gesundheitsbeeinträchtigung (§ 574 Abs. 1 BGB) berücksichtigen.
Empfehlung:
Dem Vermieter ist angesichts der neuesten Rechtsprechung anzuraten, sich bei einer Eigenbedarfskündigung im Vorfeld juristisch beraten zu lassen. Voraussichtlich werden ärztliche Gutachten eine zunehmend hohe Bedeutung bei der Härtefallprüfung einnehmen, da Gerichte die Folgen eines Umzuges auf den gesundheitlichen Zustand eines Mieters in der Regel nicht ohne deren Hilfe beurteilen können. Die Verfahrenskosten werden erheblich steigen.