Der Bundesfinanzhof hat seine Rechtsprechung hinsichtlich der Möglichkeit der Aufrechnung im Insolvenzverfahren geändert.
1. Der Fall
Gerät ein Steuerpflichtiger in Insolvenz, besteht für das Finanzamt meist nur dann eine aussichtsreiche Möglichkeit, offene Umsatzsteuerforderungen aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu realisieren, wenn es seine Forderungen gegen Zahlungsansprüche des betreffenden Unternehmens (etwa aus Vorsteuerüberhängen in anderen Veranlagungszeiträumen) aufrechnen kann.
Die Insolvenzordnung lässt eine solche Aufrechnung im Insolvenzverfahren (und damit eine abgesonderte Befriedigung eines Insolvenzgläubigers) zwar grundsätzlich zu; sie verbietet sie jedoch, soweit der Insolvenzgläubiger dem Schuldner erst nach Eröffnung des Verfahrens etwas schuldig geworden ist (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Das war nach der bisherigen, langjährigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhof BFH dann nicht der Fall – eine Aufrechnung also zulässig –, wenn der Anspruch des Steuerpflichtigen zwar steuerrechtlich erst während des Insolvenzverfahrens entstanden war, jedoch auf dem Ausgleich einer vor Eröffnung des Verfahrens erfolgten Steuerfestsetzung beruhte. Ein Beispiel ist eine Berichtigung der Umsatzsteuer, weil das Entgelt nicht eingebracht werden kann.
2. Das Urteil
Der Bundesfinanzhof BFH hat diese bisher durch die dem Steuerrecht eigentümliche besondere Verknüpfung von Umsatzsteuerfestsetzung und Umsatzsteuerberichtigung (§ 17 Abs. 2 UStG ) gerechtfertigte Rechtsprechung jetzt aufgegeben. Nach seiner Rechtsauffassung ist eine Aufrechnung nur dann zulässig, wenn der Berichtigungstatbestand zeitlich schon v o r Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten ist, wie es bei der Berichtigung von Vorsteuerbeträgen zu Lasten des Insolvenzschuldners häufig der Fall sein wird.
Im Streitfall (VII R 29/11) wurde jedoch eine Berichtigung der Umsatzsteuer zu Gunsten des insolventen Unternehmers deshalb erforderlich, weil dessen Geschäftspartner (nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens des Unternehmers) ebenfalls in Insolvenz geraten, das von diesem geschuldete Leistungsentgelt also uneinbringlich geworden war. Gegen den dadurch ausgelösten Umsatzsteuererstattungsanspruch des Unternehmers darf das Finanzamt Insolvenzforderungen n i c h t verrechnen.
In einem weiteren Urteil (VII R 44/10) hat der BFH erkannt, einer Entscheidung über die Zulässigkeit einer während des Insolvenzverfahrens erklärten Aufrechnung bedürfe es dann nicht, wenn Forderung und Gegenforderung im selben Besteuerungszeitraum entstanden und deshalb nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhof (Urt. v. 24.11.2011 – V R 13/11) gegeneinander zu verrechnen seien (sog. Saldierung gemäß § 16 UStG). Hier seien die Aufrechnungsverbote des § 96 InsO nicht zu beachten. Da diese Saldierung in einem Steuerfestsetzungsbescheid nicht mehr vorgenommen werden könne, wenn vor Ablauf des betreffenden Steuerjahres das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, greife jene Verrechnung gleichsam automatisch; ein Streit über die Zulässigkeit einer zuvor vom Finanzamt erklärten Aufrechnung sei damit erledigt.
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