Artenschutz und Biotopschutz bei Verkehrsplanung – Der Schutz von seltenen Biotopen und vom Aussterben gefährdeter Tierarten ist nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes wichtiger als eine neue Trasse für ein Verkehrsprojekt.
Die EuGH- Entscheidung
Am Beispiel der geplanten neuen Autobahn zwischen München und Südost-Bayern (BAB 94) gaben die obersten EU-Richter am 14. September 2006 in Luxemburg einem Naturschutzverband recht. Die Umweltschützer klagen vor deutschen Gerichten gegen die Trassenplanung, weil damit ein zusammenhängendes Auwaldsystem mit mehreren Bächen zerschnitten würde. In den Gebieten an der geplanten Trasse befinden sich zudem Kolonien einer seltenen Fledermausart (Großes Mausohr). Der Lebensraum der Fledermäuse ist zwar noch nicht unter gesetzlichen Schutz gestellt worden, allerdings reiche es aus der Bewertung des Gerichtes aus, dass die Bundesrepublik Deutschland auf Vorschlag des Bundeslandes die Fläche der Europäischen Kommission als schutzwürdig gemeldet habe.
Mit dieser Meldung stehe die Bundesrepublik Deutschland in der Pflicht, alles zu verhindern, was die ökologische Wertigkeit des zu schützenden Gebietes ernsthaft beeinträchtigen könnte. Ansonsten werde der Zweck der europäischen Richtlinie zum Schutz von Tieren und Pflanzen faktisch unterlaufen. Diese so genannte Flora – Fauna – Habitat – Richtlinie will europaweit zu vernetzende Biotope als Lebensraum besonders schutzwürdige Tiere sicherstellen.
Folgen für die Planungspraxis
Die deutschen Verwaltungsgerichte müssen dieses Urteil des Europäischen Gerichtshofes (Az. Rs C – 244/05) nun in ihrer Entscheidung berücksichtigen. Der Artenschutz ist nun ein gewichtiges Hindernis für neue Straßentrassen.
Mit seiner Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof den Naturschutz gegen die Planung von großen Verkehrsprojekten erheblich gestärkt. Das Gericht verpflichtet die Mitgliedstaaten der Europäischen Kommission, die wegen ihrer seltenen Tier- und Pflanzenwelt als besonders schutzwürdig gemeldeten Gebiete selbst dann vor schwerwiegenden Eingriffen zu bewahren, wenn die Gebiete noch nicht unter gesetzlichen Schutz stehen. Eine Abwehrpflicht des Staates gegenüber Eingriffen in den schutzwürdigen Gebieten bejaht das Gericht insbesondere dann, wenn durch die Verwirklichung des Verkehrsprojekts große Teile des Gebietes und deren Tiere und Pflanzen erheblich beeinträchtigt werden könnten.
Die Entscheidung des europäischen Gerichtshofes beendet eine rechtswidrige Praxis vieler deutscher Verkehrsministerien und Regierungspräsidien, die zu Gunsten von Verkehrsprojekten großzügig Dispens vom gebotenen Schutz europaweit schutzwürdiger Flächen des Naturschutzes in der Vergangenheit erteilt haben oder dies für die Zukunft angekündigt haben.
Auch mittelbare erhebliche Beeinträchtigung schutzwürdiger Fauna – Flora – Habitat Flächen durch benachbarte Verkehrsprojekte – wie etwa durch den Verkehrslärm einer Autobahn, der die Eignung von Lebensräumen in Frage stellt -, wird als Konsequenz der Entscheidung eine weit sorgfältigere Prüfung bedürfen.