Unsere Mandanten haben uns in der vergangenen Monaten wiederholt gefragt, was in Zivilverfahren passieren wird, wenn der BREXIT wirklich kommt. Die britische Regierung weiß bereits heute eine Antwort hierauf.
Am 13.09.2018 hat die Britische Regierung ein Papier veröffentlicht, welches sich mit der Zukunft der juristischen Kooperation in Zivilverfahren beschäftigt. Es stellt die Sicht der Regierung auf die Handhabung in zivilrechtlichen Verfahren dar, für den Fall, dass der BREXIT ohne „Deal“ erfolgt.
Bis zum 29.03.2019 gelten die derzeitigen in UK anwendbaren Regelungen.
Nach März 2019 gilt:
Für den Fall, dass „kein Deal“ in Bezug auf die Zusammenarbeit mit der EU erreicht werden kann, werden die meisten EU Regelungen nur auf der Basis der Gegenseitigkeit zwischen den EU Staaten gelten.
Würde die UK die EU Regelungen ohne Gegenseitigkeit nach ihrem Austritt aus der EU anwenden, verbliebt es bei dem Status der UK als Drittstaat, mit der Folge, dass die EU Staaten die UK nicht als Mitgliedsstaat der EU behandeln werden. daher würden in UK ansässige Unternehmen oder Privatpersonen von den Vorteilen der EU Gesetze und Regelungen nicht profitieren.
Aufgrund des Verlust der Gegenseitigkeit, würde die britische Regierung eine Vielzahl der derzeit anwendbaren EU Regularien außer Kraft setzen und nationales Recht anwenden, wie dies derzeit auch in Bezug auf Drittstaaten gilt.
In einigen spezifischen Gebieten überlegt die britische Regierung daher einige Elemente des EU Rechts fortgelten zu lassen, soweit diese nicht die Gegenseitigkeit der Anwenderstaaten voraussetzen, oder dieses EU Recht die Basis des nationales britischen Rechts bilden.
Die UK würde daher bestehende internationale Verträge, wie bspw. die Hague Convention, fortgelten lassen. Soweit die UK derzeit aufgrund seiner EU Mitgliedschaft von der Hague Convetion profitiert, (insbesondere die 2005 Hague Convention on Choice of Court Agreements and und die 2007 Hague Convention on Maintenance), möchte es die Britische Regierung ermöglichen, dass die UK in ihrem eigenen Interesse an diesen internationalen Verträgen partizipieren kann.
Jede Partei in einem grenzüberschreitenden Verfahren oder in einem internationalen Unternehmen; Verbraucher und Familien müssen sich daher mit der Frage auseinandersetzen, welche Auswirkungen diese Veränderungen auf bereits bestehende oder zukünftige Rechtsstreitigkeiten haben wird. Soweit erforderlich, sollte juristischer Rat unter Berücksichtigung der individuellen Umstände eingeholt werden.
Zivile und juristische Zusammenarbeit
Soweit der BREXIT ohne Deal erfolgt, wenden voraussichtlich folgende Regelungen außer Kraft gesetzt werden:
- Brüssel Ia: Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen,
- europäische Verfahren für geringfügige Forderungen
- Die EU/Dänemark Vereinbarung
- die Lugano Convention
Soweit diese Regelunge und Vereinbarungen außer Kraft treten, werden die Gerichte auf dasjenige englische Recht zurückgreifen müssen, welches derzeit auf grenzüberschreitende Rechtsstreitigkeiten in Bezug auf Drittstatten (Nicht-EU-Staaten – bspw. Norwegen oder Schweiz) anwendbar ist.
Ale Teile der UK werden die Rom I und Rom II Regelunge weiterhin anwenden, denn diese setzen für ihre Anwendbarkeit keine Gegenseitigkeit voraus.
Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Insolvenzverfahren
Die EU-Verordnung über Europäische Insolvenzverfahren wird ab 01.04.2019 nicht mehr anwendbar sein. Anwendbar bleiben diejenigen Regelungen, welche die Zuständigkeit der englischen Gerichte vorsehen, soweit also die insolvente Person oder das insolvente Unternehmen in England leben oder ihren Sitz haben.
Nach dem BREXIT wird der „EU Insolvency Regulation Test“ nicht mehr anwendbar sein, mit der Folge, dass englische Gerichte für ein Insolvenzverfahren zuständig sein könnte, auch wenn die insolvente Person oder das insolvente Unternehmen außerhalb der UK leben oder ihren Sitz haben!
Insolvenzverfahren nach UK Insolvenzrecht bedürften dann auch der Anerkennung in dem EU Staaten, um dort Wirkung, zum Beispiel in Bezug auf die Restschuldbefreiung, zu erlangen.
Familienrecht
Schlüsselregelung ist die Brüssel IIa-Verordnung, welch auf familienrechtliche Streitigkeiten (Unterhalt, Scheidung) Anwendung findet.
Die UK ist Vertragspartner in einer Vielzahl von Hague Conventions on Family Law, welche vergleichbar sind mit der Brüssel IIa-Verordnung. Soweit dies der Fall ist, wird die britische Regierung die bestehenden EU Regelungen außer Kraft setzen und auf anwendbare Haager Konventionen zurückgreifen.
Soweit die Zusammenarbeit in familienrechtlichen Angelegenheiten keiner Haager Konvention unterliegt, wird die britische Regierung in England, Wales und Nors Irland die Brüssel IIa-Verordnung außer Kraft setzen. Art. 3 der Brüssel IIa wird in englisches, walisisches und nordirisches Recht übernommen.
EU Regelungen für zivil- und familienrechtliche Angelegenheiten
Die britische Regierung wird die EU Zustell-Verordnung und auch die Verordnung zur Beweisaufnahme in Gerichtsverfahren außer Kraft setzen, weil diese auf Grundlage der Gegenseitigkeit angewandt werden. Daher wird die britische Regierung die in diesem Bereich den anwendbaren Haager Konventionen beitreten. Zudem wird die EU Prozesskostenhilfe-Verordnung und die Richtlinie zur außergerichtlichen Streitbeilegung außer Kraft treten.
Rechtshängige Verfahren
Rechtshängige Verfahren werden nach den Regelungen fortgeführt, welche derzeit gelten. Dennoch will die britische Regierung nicht garantieren, dass die EU-Mitgliedsstatten dies ebenso tun werden, insbesondere, dass EU Mitgliedsstaaten englische Urteile anerkennen werden, die auf Verfahren zurückzuführe sind, die vor dem 01.04.2019 eingeleitet wurden.
Den gesamten Text der Stellungnahme der Regierung finden sie hier:
Handling civil legal cases that involve EU countries if there’s no Brexit deal