Die Bundesregierung hat einen Entwurf für die Verordnung zur Entschädigung für Wertverluste durch Fluglärm vorgelegt. Die Summen sind völlig unzureichend. Betroffene sollten zum Entwurf Stellung nehmen. Das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm (§ 9 Absatz 5) eröffnet den lärmbetroffenen Eigentümer einer Wohnung in der Tag-Schutzzone 1 des Lärmschutzbereichs einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung für fluglärmbedingte Beeinträchtigungen des Außenwohnbereichs.
Die Bundesregierung hat jetzt einen Entwurf einer Verordnung vorgelegt, in der nähere Regelungen über die Außenwohnbereichsentschädigung getroffen werden sollen. Offensichtlich hat die Luftverkehrswirtschaft insbesondere auf die Höhe der Entschädigungen massiv Einfluss genommen, denn die Pauschalen sind ernüchternd niedrig:
Höhe der einmaligen Entschädigung für Immobilie mit Außenwohnbereich pauschal in Tag-Schutzzone 1 ( <65 dB(A)) Mindestens 1,48 Prozent des Verkehrswertes oder Einfamilienhaus 3.700 Euro Zweifamilienhaus 4.440 Euro Mehrfamilienhaus für 3. und weitere Wohnung je 1.480 Euro Eigentumswohnung 2.220 Euro Minderung um 50%, wenn Straßen- oder Bahnlärm um LAeq Tag > 6 Dezibel (A) höher ist als Fluglärm
Dem Entwurf muß der Bundesrat zustimmen. Seit der Wahl in Niedersachsen zeichnet sich dort eine rot-grüne Mehrheit ab.
Der Entwurf der Verordnung ist zwischen den Ministerien noch nicht endgültig abgestimmt, weshalb eine Einflussnahme durch Städte, Gemeinden, Landkreise, ihre Verbände, Bürgerinitiativen und Betroffene geboten erscheint.
Dazu im Detail:
Wertverluste
Mit der vorgesehenen Verordnung werden Regelungen über die Entschädigung für fluglärmbedingte Beeinträchtigungen der Nutzbarkeit des sogenannten Außenwohnbereichs (z.B. Garten, Balkon, Loggia, Terrasse) getroffen. Nach dem novellierten Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm vom 1. Juni 2007 entstehen zeitlich abgestufte Ansprüche auf eine Außenwohnbereichsentschädigung, wenn zum Zeitpunkt der Festsetzung eines Lärmschutzbereichs für einen neuen oder wesentlich baulich erweiterten Flugplatz auf einem Grundstück in der Tag-Schutzzone 1 eine Wohnung oder eine schutzbedürftige Einrichtung mit einem Außenwohnbereich errichtet ist oder wenn dort zu diesem Zeitpunkt die Errichtung der baulichen Anlage zulässig ist. Zahlungspflichtig ist der Flugplatzhalter, anspruchsberechtigt sind die Immobilieneigentümer. Die Außenwohnbereichsentschädigung tritt an die Stelle von baulichen Schutzvorkehrungen, die zur Verminderung fluglärmbedingter Immissionen in der Tag-Schutzzone 1 an sich geboten wären, jedoch nicht durchführbar oder mit dem Wohnen im Freien unvereinbar sind.
Regelungsinhalt
Mit der Verordnung wird auf Grund der Ermächtigung des § 9 Absatz 6 Satz 1 des Fluglärmgesetzes die Höhe der Außenwohnbereichsentschädigung bestimmt: Es werden Pauschalbeträge festgelegt, die nach der Stärke der Fluglärmbelastung und nach allgemeinen Merkmalen der baulichen Anlage abgestuft sind. Auf diese Weise wird eine besonders effiziente Abwicklung des Entschädigungsverfahrens ermöglicht. Ein höherer Entschädigungsbetrag kann sich ergeben, wenn ein überdurchschnittlich hoher Verkehrswert des betroffenen Wohnhauses oder der Wohnung nachgewiesen wird. Unter bestimmten Voraussetzungen werden die Art der baulichen Nutzung des Baugebietes, eine Lärmvorbelastung und andere relevante Einflussgrößen ergänzend berücksichtigt. Für schutzbedürftige Einrichtungen (z.B. Altenheime), bei denen typischerweise eine Wohnnutzung im Freien vorliegt, sind die Regelungen für Wohnungen entsprechend anzuwenden. Des Weiteren wird festgelegt, wie die Höhe der Fluglärmimmissionen zu ermitteln und in einer Karte darzustellen ist. Die Verordnung dient einem einheitlichen und effizienten Gesetzesvollzug im Fall eines neuen oder wesentlich baulich erweiterten Flugplatzes.
Kosten für die Flughafenbetreiber
Die durch die Verordnung entstehenden Kostenfolgen bei den Haltern der erfassten zivilen Flugplätze ergeben sich aus den detaillierten Regelungen des novellierten Fluglärmgesetzes zur Außenwohnbereichsentschädigung, zum Umfang der Tag-Schutzzone 1 bei neuen oder wesentlich baulich erweiterten Flugplätzen und zur Definition der wesentlichen baulichen Erweiterung. Die Kostenfolgen der Novelle des Fluglärmgesetzes sind in der Amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drs. 16/508) dargestellt. Auf die Außenwohnbereichsentschädigung entfallen davon Kosten in Höhe von 120 bis 176 Mio. Euro.
Verfassungsrechtliche Bewertung und Handlungsmöglichkeiten
Fluglärm schränkt die Nutzbarkeit von Balkonen, Dachgärten, Loggien, Terrassen, Grillplätze und Gärten zum Teil erheblich ein und mindert den Verkehrswert der Hausgrundstücke. Allein die Minderung des Verkehrswertes kann 20 – 35% erreichen. Eine Entschädigung in Höhe von 1,48% wird auch nicht annähernd den durch Fluglärm bedingten Wertverlusten für die Betroffenen gerecht. Diese müssen die geplanten Pauschalen als Verhöhnung ihrer wirtschaftlichen Interessen empfinden.
Verfassungsrechtlich bewertet Rechtsanwalt Matthias Möller (Frankfurt) eine Pauschale von 1,48% für eine mit Fluglärm bis 64 dB(A) belastete Immobilie „als Verletzung des Grundrechtes auf Eigentum“. Er rät den Betroffenen, ihre Interessen gegenüber den Ministerien, Bundestagsabgeordneten und Länderregierungen politisch zu artikulieren und langfristig den Klageweg bis zum Bundesverfassungsgericht zu beschreiten. Die Kanzlei MÖLLER vertritt bereits vier Anwohner des Frankfurter Flughafens vor dem Bundesverfassungsgericht in einer Beschwerde gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Flughafenausbau und gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. April 2012 dazu.
Der Kern der geplanten Verordnung:
Der maßgebliche Teil des Entwurfs hat folgenden Wortlaut:
§ 5
Entschädigungspauschalen bei Wohnungen
(1) Bei einem Einfamilienhaus mit Außenwohnbereich beträgt die Höhe der Entschädigung pauschal:
1. für ein im Isophonen-Band 1 gelegenes Grundstück: 5000 Euro,
2. für ein im Isophonen-Band 2 gelegenes Grundstück: 3700 Euro.
(2) Bei einem Zweifamilienhaus mit Außenwohnbereich beträgt die Höhe der Entschädigung pauschal:
1. für ein im Isophonen-Band 1 gelegenes Grundstück: 6000 Euro,
2. für ein im Isophonen-Band 2 gelegenes Grundstück: 4440 Euro.
(3) Bei einem Mehrfamilienhaus mit Außenwohnbereich erhöht sich die Entschädigung pauschal gegenüber Absatz 2 mit jeder weiteren abgeschlossenen Wohnung
1. für ein im Isophonen-Band 1 gelegenes Grundstück um: 2000 Euro,
2. für ein im Isophonen-Band 2 gelegenes Grundstück um: 1480 Euro.
(4) Bei einer Eigentumswohnung mit Außenwohnbereich beträgt die Höhe der Entschädigung pauschal:
1. für ein im Isophonen-Band 1 gelegenes Grundstück: 3000 Euro,
2. für ein im Isophonen-Band 2 gelegenes Grundstück: 2220 Euro.
§ 6
Erhöhte Entschädigung aufgrund des Verkehrswertes
(1) Abweichend von § 5 beträgt die Höhe der Entschädigung bei einem Einfamilienhaus, einem Zweifamilienhaus oder einem Mehrfamilienhaus 2,00 Prozent des Verkehrswertes eines im Isophonen-Band 1 gelegenen Grundstücks und 1,48 Prozent des Verkehrswertes eines im Isophonen-Band 2 gelegenen Grundstücks, sofern der Anspruchsberechtigte nachweist, dass die hiernach ermittelte Entschädigung die Entschädigung nach § 5 übersteigt. Bei einer Eigentumswohnung gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass der Verkehrswert der Eigentumswohnung einschließlich des Wertes des Miteigentumsanteils an dem Grundstück und an dem sonstigen gemeinschaftlichen Eigentum zugrunde zu legen ist.
(2) Maßgeblich für die Ermittlung des Verkehrswertes ist der Tag der Geltendmachung des Anspruchs. Bei landwirtschaftlich, gewerblich oder gemischt genutzten Grundstücken ist nur der Anteil des Verkehrswertes zu berücksichtigen, der auf die Wohnnutzung entfällt. Satz 2 gilt entsprechend für Eigentumswohnungen.
(3) Der Verkehrswert kann nachgewiesen werden durch eine Mitteilung des Gutachterausschusses für Grundstückswerte der Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist. Sofern ein Gutachterausschuss für Grundstückswerte in der Gemeinde nicht vorhanden ist oder sofern der Gutachterausschuss gehindert ist, ein Verkehrswertgutachten vorzulegen, kann eine andere Stelle mit der Erstellung betraut werden. Die erforderlichen Kosten für den Nachweis des Verkehrswertes trägt der Flugplatzhalter, sofern sich aufgrund des Nachweises eine höhere Entschädigung als nach § 5 ergibt.
Die Langfassung des Entwurfs kann hier aufgerufen werden.